Die Geschichte der Tanzschule Gerda Keller in Berlin
Vor über 60 Jahren verlegten Tanzsportbegeisterte das erste Parkett in der Scharnweberstraße. Heute wird dort immer noch getanzt. Unglaublich, nicht wahr?
In Berlin kauft man „Schrippen“, wenn man "Brötchen" meint, man serviert zu Silvester "Pfannkuchen", obwohl ganz Deutschland auf "Berliner" schwört und wenn man in Berlin ans "Tanzen" denkt, auch wenn man noch nie eine Tanzschule zuvor besucht hat, kennt man die "Tanzschule Keller". Die lange Geschichte unserer Tanzschule von den Wurzeln bis heute kurz erzählt...
Wie alles begann
In Berlin schrieb man vielleicht das Jahr 1900 in die Tagebücher, als man die Erlebnisse seiner Tanzstunde bei der Familie Keller zu Papier brachte. Schon zu dieser Zeit waren die Tanzstunden von Willy und Martha Keller in Berlin sehr bekannt. Einige Jahre später sollten zwei Söhne namens Richard und Hans das Licht der Welt erblicken. Umgeben von Musik und Tanz wuchsen sie heran. Willy ließ seine Kinder musikalisch ausbilden und überließ Richard und seiner ersten Frau Käte 1928 die Unterrichtsorte in Friedenau, Südende und im Hotel Esplanade. Teile der Fassade des Hotels, so wie das Kaminzimmer findet Ihr heute noch hinter Glas am Potsdamer Platz. Sein Sohn Hans und dessen Frau Gerda, die Namensgeberin unserer Schule, übernahm das Lehrer-Vereinshaus in der Chausseestraße und die Königsstraße, während die Eltern im Norden Berlins blieben. Die großen und glanzvollen Bälle der Familie Keller in der Philharmonie und im Hotel Esplanade waren zu dieser Zeit legendär! Der 2. Weltkrieg sollte jedoch so einiges verändern...
Der 2. Weltkrieg
Richard kam 1945 aus russischer Kriegsgefangenschaft wieder, sein Bruder Hans blieb allerdings glücklos und sollte den Krieg nicht überleben. Die Familientradition setzten Richard, seine Frau Käte und Gerda Keller, die Witwe von Hans von nun an alleine fort. Nur ein Jahr später verstarb Käte und Richards zweite Frau, Mady, übernahm den Unterricht in der Tanzschule, der nun auch nach und nach in eigenen Räumlichkeiten stattfand. Berlin war zerstört und um so wichtiger waren Ablenkung und Freude durch die Tanzmeister Berlins. Die Keller Tanzschulen schafften auch in der Nachkriegszeit den alten Glanz zurückzuzaubern. Bezahlte man anfangs den Unterricht mit Kohlebrikets, Nahrung oder Kleidungsstücken, konnte sich schon sehr bald wieder jeder das Tanzen leisten. Ihre Bälle im Studentenhaus, im wiedereröffneten Hotel Esplanade und in den Zoo-Festsälen erfreuten sich großer Beliebtheit. Gerda Keller blieb, wie ihre Schwiegereltern vor ihr, im nördlichen Berliner Raum und zog mit ihrer Tanzschule schon 1958 nach dem Neubau "des Musikhauses" in die Scharnweberstraße 25 nach Berlin-Reinickendorf. Richard hatte seine Tanzschulen südlicher - von Halensee bis Friedenau. Dass beide letztlich den Ostteil der Stadt verließen, sollte sich in Hinblick auf die späteren geschichtlichen Ereignisse als Glücksfall herausstellen. Gerda heiratete wieder und hieß von nun an Gerda Brecht-Keller. Den Namen „Keller“ wollte sie natürlich nicht ganz ablegen, da sie in der Berliner Tanzszene und mit ihrem Tanzschulnamen einen enormen Bekanntheitsgrad weit über die Grenzen hinaus genoss. Den Namen nicht abzulegen, war fast ein Novum zu dieser Zeit und beweist, wie fortschrittlich und selbstbewusst Gerda war. So war sie gleichzeitig Gründerin und auch namentlich die erste „fremde“ Inhaberin der „Tanzschule Gerda Keller“. Gerdas Ehen blieben kinderlos.
Eine Blutlinie endet
Richard erbaute und teilte sich letztlich mit Mady seine Tanzschulen, als er sich von ihr scheiden ließ. Durch seiner dritte Ehefrau Gaby blieb er aber mit dem Tanzsport verbunden. Aus seiner ersten Ehe mit Käte ging ein Sohn namens Dieter hervor, dessen Name als einziger heute ebenfalls noch neben Gerda Keller in Berlin zu finden ist. Denn auch er gründete nach einem Zerwürfnis mit seinem Vater 1970 seine eigene Tanzschule. Wie heute in dem selben Haus Nummer 25 in der Scharnweberstraße unterrichtete Gerda Keller noch weitere 10 Jahre, bis sie schließlich die Tanzschule 1968 an Herrn Zupke verkaufte und den kalten Tagen Berlins in Florida den Rücken kehrte. Nach dem Tod Richards und dem tragischen Unfalltod Dieters 1979 ist heute leider die Blutline der Familie Keller für die Tanzwelt ausgestorben. Trotzdem geht die Geschichte weiter...
Eine neue Ära beginnt
Seit 1980 ist die Tanzschule Gerda Keller im Besitz der Familie Helm. Erst war Jürgen Helm und seit 2004 ist sein Sohn Roger Helm Inhaber der „Tanzschule Gerda Keller“. Alle Familienmitglieder der Helms waren bzw. sind Tänzer durch und durch. Jürgen Helm lernte seine ersten Tanzschritte im 3. Stock der Scharnweberstraße 25 von Gerda Keller persönlich. Er war sehr talentiert und wurde schnell ein erfolgreicher Turniertänzer. Mit dem früheren Welt- und Europameister Wolfgang Opitz als Trainer wurde Jürgen mehrfach Landesmeister, zwei Mal Deutscher Meister und Blackpoolfinalist. Mit seiner heutigen Ehefrau Angelika tanzte er später bei den Profis. Aber auch ihre Amateurkarriere verlief sehr erfolgreich. Auch sie wurde mehrfach Landesmeisterin, war die jüngste S-Tänzerin aller Zeiten und wurde schließlich Vize-Deutsche Meisterin. Unter der Familie Helm expandierte die Tanzschule Gerda Keller wieder zu einer imposanten Größe in Berlin. Die Scharnweberstraße erstreckte sich Mitte der 80ern über zwei komplette Etagen mit 4 Sälen. Hinzukamen auch die Tanzschulen Gerda Keller in Halensee und nach Maueröffnung eine Tanzschule in Potsdam. Die Ballveranstaltungen im Prälat Schöneberg, Hotel Berlin, Interconti, Palais am See, im ICC und im Palais am Funkturm gehörten zu den bekanntesten Bällen im Berliner Veranstaltungskalender. Mitte der 90er wurden die südlichen Tanzschulen verkauft und man konzentrierte sich wieder auf den "Hauptsitz" in Berlin-Reinickendorf. 1977 und 1980 wurden ihre Söhne Roger und Patrick Helm geboren. Beide lernten ebenfalls ihre ersten Tanzschritte in der Tanzschule Gerda Keller und machten im ADTV (Allgemeiner Deutscher Tanzlehrerverband) die Tanzlehrerausbildung. Auch sie können auf eine erfolgreiche Turniertanzkarriere zurückblicken. Beide waren mehrfach Landes- und Gebietsmeister und Teil des Bundeskaders. Patrick war Let´s Dance Profitänzer und ist bis heute Choreograph für ähnliche TV-Formate in unterschiedlichen Ländern. Er tanzte mit „Burn the Floor“ weltweit unter anderem in Asien, London, Las Vegas und am Broadway in New York. Im Jahr 2020 tanzte und choreographierte er zum zweiten Mal für die berühmte Queen Gala in der Roy Albert Hall. Nach seinen Weltreisen blieb er in seiner Wahlheimat England und lebt dort in London. Roger wurde ebenfalls wie sein Vater mit seiner Tanzpartnerin bestes Deutsches Paar in Blackpool und war Weltranglisten Finalist. Er beendete 2000 seine aktive Tanzkarriere und konzentrierte sich von da an auf seine Passion als Trainer und Choreograph. Er wurde als Trainer unter anderem Europameister im Team Dance4Fans und verhalf vielen Gruppen, Paaren und Solisten zu Turniersiegen, Meistertiteln und Aufstiegen in die nächsthöheren Turnierklassen. Zudem ist er Wertungsrichter und praktischer Ausbilder im ADTV. 2004 übernahm er die Tanzschule Gerda Keller. Seit 2007 steht er mit seinen Tanzschülern im Guinnesbuch der Rekorde im Massensimultantanzen. Überreicht wurde ihm diese Auszeichnung 2007 auf der Berliner Weihnachtsgala der Tanzschule Gerda Keller im Palais am Funkturm von Isabell Edvardson. Den dritten Rekord für das Buch der Rekorde erreichte er mit seinen Tanzschülern im Jahre 2022.
Modetänze und Saisontänze kamen und gingen. Wer "in" sein wollte, war in der Tanzschule Gerda Keller immer richtig! Ob Mambo, Aerobic und Lambada in den 80ern, Macarena, Tango Argentino und Hip Hop in den 90ern, Tae Bo, Jumpstile und Videoclip Dancing in den 2000ern oder Zumba, Hula Fit und West Coast Swing heute - bei uns werden Trends nicht verpasst, sondern gesetzt!
Im Laufe der letzten Jahrzehnte hat die „Tanzschule Gerda Keller“ viele Umbaumaßnahmen, Modernisierungen und Veränderungen durchlebt. Aber selbst Kriege, Krisen und Pandemien können das Team und die Tänzer der ADTV Tanzschule Gerda Keller nicht aufhalten! Im Gegenteil! Die Digitalisierung und Modernisierung wurde in dieser Zeit auf ein neues Level gehoben. Videostreaming, Onlineunterricht und größtmögliche Flexibilität in der Kurswahl sind heute für eine moderne Tanzschule selbstverständlich geworden. Schließlich verpflichtet auch so ein traditionsreicher Name. Wer lange am Markt bleiben möchte, kann nie altbacken sein, sondern ist immer up to date. Man muss den Wandel der Generationen miterleben und mit leben. Nur so ist es möglich, seit über 75 Jahren fürs junge und alte Berlin in Sachen Tanz die richtige Wahl zu sein!
Und die Geschichte geht weiter…
Dies ist eine kurze Zusammenfassung unserer Tanzschulgeschichte, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Quellen: Jürgen Helm, Monika Keller, Mady Keller aus "Tanzen in Deutschland" erschienen im Kastell Verlag!